Die Geschichte der Studiengebühren ist keine Geschichte voller Missverständnisse
Während gerade an der Hochschule Niederrhein im besetzten Streifenmax die letzten Klänge einer Gitarre verhallen und auch der letzte Rapper die OpenStage verlassen hat, sehe ich jetzt schon wieder die Mainstream Presse titeln: "Sie wollen mehr Geld!"
Und dann werden ein paar hart Arbeitende Studierende vorgestellt, mit all ihren Nebenjobs und daraus resultierenden Problemen. Im Text wird dann langsam übergeleitet, allen geht es ja gar nicht so schlecht, und wenn es so schlimm wäre - warum sind dann so wenige da? - und überhaupt: Es ist eben nicht genug Geld da! Und da muss doch irgendwie jede/r sein Teil einsparen.
Natürlich werden zwischen durch noch ein paar Politiker zu Wort kommen, die zeigen Verständnis und erläutern warum denn gerade ihr Plan den Studierenden hilft.
Im Moment ist für mich nur die Frage, ob die Presse die ganze Show in einem Artikel durchzieht, oder ob sie heute noch "Knuddeltag" haben. Dabei ist "Knuddeltag" gar nicht nett! Es gibt ganz viel Zustimmung und Aufmerksamkeit, irgendwann kommt dann das Gefühl auf verstanden worden zu sein - ja gar das Gefühl eines kleinen Erfolges. Und dann schläft der Protest unweigerlich ein, zu tode geknuddelt :(
Und weil das eben immer so ist, ist auch klar, dass es kein Missverständnis ist. Es ist Strategie einer neoliberalen Politik die von wirtschaftlichen Interessen geleitet ist und mithilfe der Medien umgesetzt wird. Am Ende wird in den Köpfen wieder nur hängen bleiben, dass es ums Geld ging.
Und genau das machen sie mit fast allen Bewegungen. Am Ende geht es eben allen nur ums Geld, und davon ist eben nicht genug da und deswegen müssen alle ein wenig abgeben. Zumindest verkaufen sie es uns so! Das macht es eben dann auch bei den nächsten Protesten einfacher zu Spalten; sie spielen dann die Hartz IV EmpfängerInnen gegen die BaföG BezieherInnen aus; sie sagen entweder Kindergartenplätze oder mehr Lehrer; sie bieten dann eine Volksmusikschule oder Kunst im Museum an – aber eben nur eines von beiden.
Politik ist gefährlich, sie schmeißen uns ein Stückchen Kuchen hin und sagen streitet Euch drum – und wir tun es. Wir endsolidarisieren uns, wir kämpfen um unseren Anteil – aber es geht immer nur um den Anteil, den sie uns freiwillig geben.
Jetzt könnte ich natürlich von einem größeren Stück sprechen, dass wir fordern – von Umverteilung von oben nach unten – ich könnte von den Banken sprechen die sie mit viel mehr Geld gerettet haben – ich könnte davon reden wie sie uns einen hohen DAX Wert als gut verkaufen, wobei keiner von uns Aktien hat – ich könnte erzählen das die Kurse immer steigen wenn Entlassungen angekündigt sind – ich könnte ... ABER ich will nicht übers Geld reden.
Wenn gegen Studiengebühren gekämpft wird geht es um den Anspruch Bildung als Menschenrecht. Die Probleme die mit dem Aufbringen der 500,- Euro pro Semester verbunden sind, nehmen nur einen kleinen Teil ein. Viel mehr geht es um all die Menschen die dadurch überhaupt erstmal von den Hochschulen fern gehalten werden. Und viel mehr noch: Bildung fängt im Kindergarten an, geht über Schule, dann Ausbildung oder Studium weiter bis ins hohe Alter. Bildung ist nie das Gut eines einzelnen, Bildung ist die Grundlage unserer Gesellschaft.
Das wir heute nicht mehr an die Erde als Scheibe glauben ist ein Ergebnis von Wissenschaft, und das wir das heute alle Nachlesen können ist ein Ergebnis von Bildung. Das wir bei Blitzen nicht mehr an Götter glauben die uns bestrafen wollen ist ein Ergebnis von Bildung – und darüber bin ich ganz froh, denn so konnte dann auch irgendwann mal der Blitzableiter erfunden werden, der auch mein Haus schützt.
Was meint ihr, wenn Bildung von je her nach dem Prinzip des Marktes – nach ihrer Verwertbarkeit – gefördert worden wäre; hätte Benjamin Franklin den Schlüssel am Drachen befestigt? Mit Sicherheit nicht, wer konnte schon ahnen, dass der Franzose George Leclanche mit dieser Grunderkenntnis dann in den 60er den Vorreiter der weltweit meistverwendeten Batterie, die Zink-Kohle Batterie, entwickelte.
Natürlich ist das Balzverhalten der Zebrafinken in meinem alltäglichen Leben doch von eher untergeordneter Bedeutung, doch kann ich mir anmaßen es in Heller und Pfennig aufzuwiegen? Und wie viel Wert ist Goethes Faust?
Genau deswegen geht es eben nicht um Geld – es geht um ein Weltbild. Es geht um das Recht, dass Menschen selbst bestimmt leben und auch selbst bestimmt lernen. Und so war das schon als wir das Feuer entdeckten und lernten es zu kontrollieren. Und es war gut!
Wissen entwickelt sich, Wissen entwickelt unsere Gesellschaft. Ja und Wissen dient auch dem Bösen. Ich glaube nicht, dass heute noch jemand das Wissen um die Atombombe als positiv bewertet. Aber das Wissen ist da und weiteres Wissen hat uns gelehrt dagegen vor zu gehen.
Wenn jetzt Menschen meinen Wissen auf das „gute“, und damit meinen sie das Verwertbare, reduzieren zu können, dann haben sie nicht Verstanden. Unsere Gesellschaft und unsere Demokratie haben sich durch und mit dem Wissen entwickelt – und dabei geht es einfach mal so gar nicht ums Geld!