Torben Schultz

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Netzneutralität und der freie Markt

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Um es gleich vorweg zu stellen: Ja ich bin für eine gesetzlich verankerte Netzneutralität!
Und ja: Ich sehe das Internet als eine moderne Kommunikationsform, auf die jede/r ein Anrecht hat!

Aber seit die Telekom angekündigt hat ihre Flatrate Tarife so zu ändern, dass nach einem gewissen Transfer Volumen die Leitung gedrosselt wird geht mir die Diskussion in eine falsche Richtung.

Erstmal müssen wir doch feststellen, dass schon heute nicht jede/r die gleiche Internetleistung hat. Da leben in Mönchengladbach Leute am Rande der Stadt und bekommen gar nicht so schnelle Leitungen. Und das ist eben kein Problem von Netzneutralität, sondern ganz klar eine Sache des freien Marktes. Es ist nun mal nicht rentabel in so eine Gegend neue Leitungen zu legen. Früher als es noch die Deutsche Bundespost gab, die für Telefonleitungen zuständig war, da wurde auch ins allerletzte Dorf Telefon zum Einheitspreis verlegt. Aber dann kamen Leute in der Regierung auf die Idee, dass private Anbieter es alles besser und billiger können … und sie fühlten sich über Jahre bestätigt: Die Preise sanken!

Damals war es Telefon und mittlerweile ist es eben auch Internet, aber die „Player“ sind die gleichen geblieben. Und sie agieren nicht aus irgendeinem gesellschaftlichen Anspruch heraus. Sie haben nur eines im Sinn: Profite!
Und somit können wir doch nicht diese Unternehmen verpflichten etwas zu tun, was sie für sich wirtschaftlich nicht lohnt. Und selbst wenn es sich lohnen würde, wäre es noch immer ihre Entscheidung ob sie das Geschäftsfeld erschließen wollen oder nicht.

Nun bin ich bekennender Linker und somit bin ich nun nicht gerade der Freund von Privatisierung. Derzeit droht uns so was beim Wasser. Da sage ich klar und entschieden NEIN zu. Und wenn es um die Abfallentsorgung geht, dann möchte ich die GEM in Mönchengladbach wieder rekommunalisieren. Auch die Stromnetze gehören nicht in die Hand der großen Energieversorger. Alles keine Frage.

Und in diesem Sinne hätte ich auch Telefon und Internetleitungen nie einem privaten überlassen. Aber es wurde gemacht und sehr viele Menschen fanden das richtig. Und lange haben sie ja auch durch sinkende Preise profitiert.
Aber sie haben dadurch eben auch die Auswirkungen, dass es auf dem Land eben kein schnelles Internet gibt. Sollen wir jetzt die Gewinne die in den Städten gemacht werden können den Privaten überlassen und die Zuschussleitungen auf dem Land zahlen die SteuerzahlerInnen?

Da müssen wir doch klar erkennen: So ist eben der Kapitalismus!
Der Markt regelt nur das, was für ihn auch einen Vorteil hat.

Nun sind wir aber in der aktuellen Diskussion um die Telekom Drosselung gar nicht bei zu langsamen Leitungen, aber wir sind beim gleichen Thema. Und bei diesem Thema müssen wir schon mal als Ausgangsposition festhalten: Es gab nie ein Anrecht auf schnelle Leitungen, weder in der Stadt noch auf dem Land.
Wem das nicht gefällt, der/die muss Internet zur Grundversorgung erklären, die Leitungen zurückkaufen und es zu einer staatlichen Aufgabe machen – ich bin dabei!

Doch es geht noch weiter, denn plötzlich möchten irgendwelche Menschen den Konzernen Vorschreiben welches Angebot sie ihren möglichen Kunden zu machen haben. Es gibt zwar ne Buchpreisbindung in Deutschland, aber habt ihr ansonsten schon mal gehört, dass jemand den Baumarkt X verpflichten möchte weiterhin den Meter Holz für 7,98 anzubieten? Oder dass der Verlag XY sein Zeitungsabo nicht verteuern darf? Oder wurde schon mal versucht Paketdienst XYZ zu verpflichten auch Samstags zuzustellen?

Jetzt wo die Telekom jedoch ankündigt ihre Flatrate auf das umzustellen, was im Mobilen Bereich schon lange üblich ist, da schreien alle auf. Doch schaut euch mal die ganzen UMTS Tarife an: Wie viele davon nennen sich Flatrate, sind aber genau so ein Konstrukt, dass nach einem gewissen Volumen auf GPRS Geschwindigkeit gedrosselt wird.

Genau das hat die Telekom angekündigt einzuführen. Und das ist am freien Markt ihr gutes Recht dies zu tun. Ob das clever ist, ist was anderes. Aber solange eben Internet keine staatliche Aufgabe ist, solange wollen Private Anbieter Gewinne machen. Und im Rahmen der Gesetze können sie da ihre Angebote gestalten wie sie wollen.

Wir sind also noch immer nicht bei Netzneutralität, sondern noch immer beim Kapitalismus. Und dieser beschließt eben nicht nur welche Leitung überhaupt zu deinem Haus geht, sondern auch welches Angebot zur Nutzung dir gemacht wird.

Ich hab nun irgendwo zur Drosselung einen Kommentar gelesen: „Wer will schon ein Zwei-Klassen-Internet?“
Aber das ist doch die Realität – und zwar nicht nur in zwei Klassen. Wie viele können sich eben keine 16000er oder mehr leisten? Wer Alleinverdiener ist, aber eben PartnerIn und Kinder mit versorgen muss, da reicht dann aus kosten gründen schon mal die 6000er oder weniger. Und wer nun mal Hartz IV Bezieher ist oder Aufstocker, der/die muss sehen ob Internet überhaupt bezahlbar ist. Darüber hat seit Jahren niemand geklagt – schon gar nicht die, die jetzt Aufschreien.

Nun will die Telekom aber die eigenen Dienste nicht zum Traffic dazu zählen und auch noch von der Drosselung ausschließen. Und da könnten die schreie nach Netzneutralität richtig sein … aber auch nur könnten!

Denn erst mal ist es wie zuvor beschrieben ein Angebot der Telekom, nutzt es oder nutzt es nicht. Aber vor allem ist es ein falsches Verständnis von Netzneutralität. Die Datenpakete nehmen vom Sender zum Empfänger unfassbare Wege. Da sind Router und Leitungen dazwischen, die weder dem Provider des Senders, noch dem des Empfängers gehören. Da ist also ein Anbieter, der Pakete nur durch sein Netz schleust (durch routet) und nichts daran verdient. Dafür werden aber seine Pakete auch durch andere Netze gelassen. Ein geben und nehmen eben … das zwar am Ende auch irgendwie abgerechnet wird, nur darum geht es nicht.

Es geht darum, dass das Netz eben so Dezentral aufgebaut ist, dass es auch bei Ausfällen einzelner Strecken und Router immer wieder über Umwege das Ziel erreichen kann. So blöde es klingt, aber an sich funktioniert das Netz nur wenn alle mitspielen, aber wenn alle mitspielen, kann eben auch immer ein einzelner mal versagen. Und in diesem Netz kassiert eben am einen Ende der Provider, der DIR den Internetzugang bereit stellt und am anderen Ende Kassiert der Provider, der dem Server (was auch immer es gerade ist: Webseite, Mailserver, Web-Radio, …) den Zugang stellt.

Netzneutralität heißt nun, dass sich alle dazwischen raus halten und jedes Datenpaket gleichwertig durchschleusen. Und ja, das ist wichtig, dass das so ist.

Was aber die Telekom macht ist nicht, dass sie in diesem ganzen Netzwerk eingreifen will. Dazu hab ich zumindest nichts gelesen. Sie will an dem einen Ende … an ihrem Ende! … die Geschwindigkeit drosseln. Dass macht sie aber nicht für die Pakete, die aus ihrem eigenen Netz kommen. Dafür muss sie nicht in den ganzen Internetverkehr eingreifen. Dafür muss sie nicht die Pakete nach Art / Anwendung / Inhalt beurteilen. Das ganze ist keine Verletzung der Netzneutralität, sondern es ist ganz einfach die erste Kreuzung die sie anders ausbaut.

Deswegen finde ich die Art und Weise, wie jetzt über das Telekom Vorhaben Diskutiert wird für falsch. Ich halte zwar auch das Vorhaben der Telekom für falsch, nur das ist IHRE Fehlentscheidung – dazu haben sie das Recht.

 

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(Bertolt Brecht - Die Dreigroschenoper; Druckfassung 1931)