... und klatschen hätte niemanden weh getan!
Am 28.01.2011 hat der Bundestag den ehemaligen DDR-Bürgerrechtler und Journalisten Roland Jahn zum neuen Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen gewählt. Merkwürdiger Weise empfanden mehrere Medien es als Überraschung, dass zahlreiche Abgeordnete der Linksfraktion für Jahn stimmten. Dabei war schon nach Jahns persönlicher Vorstellung in der Fraktion der LINKEN öffentlich geworden, dass er bei der Mehrheit der Fraktionsmitglieder "eher positiv" angekommen war. Fraktionschef Gregor Gysi sagte wörtlich: "Ich bin ziemlich sicher, dass er auch aus unserer Fraktion durchaus zahlreiche Wahlstimmen erhalten wird."
Doch die Medien fanden auch direkt einen Skandal: Als Bundestagspräsident Norbert Lammert der im Zuschauerbereich anwesenden bisherigen Amtsinhaberin Marianne Birthler seinen Dank aussprach, standen alle Abgeordneten auf und applaudierten. Alle? Nein, die der Linken nicht.
Nun denn, was ist denn so ein Applaus? Eine reine Höflichkeitsfloskel? Genauso wie die doch eher rhetorische Frage "Wie geht es ihnen?" - ja antworten sie doch mal mit "Total beschissen, meine Frau ist ausgezogen, mein Hund gestorben und die Kündigung hatte ich heute morgen auch im Briefkasten." Seien sie sich sicher, die wenigsten Fragenden wollen das hören, ein "Danke gut und Ihnen?" oder ein "Muss ja" wäre die erwartete Antwort gewesen.
Aber sei es drum - wenn der Abschieds Applaus zu den üblichen Umgangsformen gehört, dann hätte es keiner/m Abgeordneten der Linksfraktion weh getan aufzustehen und höflich lächelnd zu klatschen. Aber dann brauch auch niemand von Eklat zu sprechen, ein "die Schmuddelkinder der Linken haben eben keine Manieren" hätte gereicht.
Und überhaupt - wollen wir PolitikerInnen die nur der Form halber Klatschen? Haben wir nicht eigentlich schon genug davon, dass sie ständig die Bürgernähe preisen und mehr BürgerInnenbeteiligung fordern. Aber dann wenn es tatsächlich mal laut wird in Stuttgart oder Wanlo - ja dann wissen sie es doch eh besser als die Bevölkerung und machen es wie sie und ihre Lobby es eh schon geplant hatten. Nun gut, ein anderes Thema, aber diese Aufgesetzte Höflichkeit können wir meinethalben gerne einstampfen.
Gehen wir mal davon aus, dass das Klatschen im Bundestag keine Floskel ist. Hätte DIE LINKE dann wirklich Aufstehen und mitklatschen sollen?
Es ist hinreichend bekannt, dass Frau Birthler im Zuge der Bundestagswahl 2005 behauptete, dass in der Linksfraktion mindestens sieben der neuen Abgeordneten in der DDR für das Ministerium für Staatssicherheit gearbeitet hätten. Eine Behauptung, die sie wenig später zurückziehen musste. Vielleicht hatte Frau Birthler einfach nur falsche Informationen, dann hat sie einen Fehler gemacht, damit an die Öffentlichkeit zu gehen. So ein Fehler kann auch DIE LINKE nach sechs Jahren verzeihen, so nachtragend sind wir ja nicht, nur beklatschen müssen wir das nun trotzdem nicht.
Aber vielleicht hat ja Frau Birthler damals bewusst die nichthaltbaren Behauptungen unters Volk gebracht? Genau solche Meinungsmache erlebt DIE LINKE ja immer wieder, so zum Beispiel der Fall Rüdiger Sagel. Noch vor der Wahl in NRW hatte Minister Laschet (CDU) mehrmals während Plenarsitzungen des Landtags öffentlich dem Abgeordneten Sagel vorgehalten, dass er überwacht würde und unter Beobachtung des Verfassungsschutzes stehe. Nach der Wahl und nach einer Klage beim Düsseldorfer Verwaltungsgericht musste das NRW-Innenministerium einräumen, dass eine Überwachung gar nicht stattfindet oder stattgefunden hat. Ein ähnliches Spiel war es bei der Spitzenkandidatin der LINKEN, Bärbel Beuermann. Immer wieder werden Vorwürfe gegen DIE LINKE instrumentalisiert um der Partei zu schaden, irgendwas wird schon hängen bleiben - egal wie haltlos die Behauptungen sind.
Sollte Frau Birthler 2005 in so einem Kontext gehandelt haben, wäre es sicher auch kein Grund zum Klatschen gewesen.
Oder nehmen wir Frau Birthlers engagement in der Lobbyistengruppe "berlinpolis e.V.". Natürlich ist es ihre Sache, wenn sie "Politik für morgen" gestalten möchte und über den Verein Mitherausgeber des Magazins "thinktank" ist. Nur muss sie wissen, dass die Positionen des Vereins zum Datenschutz und heimliche Lobbyarbeit nicht gerade auf der Linie der Partei DIE LINKE liegt. Wahrlich, diese Mitgliedschaft von Frau Birthler ist kein Grund für Applaus.
Doch kommen wir zurück zu Frau Birthlers Arbeit, im August 2007 verbreitete sie eine "sensationelle" Erklärung: Die Magdeburger Außenstelle der Stasi-Unterlagenbehörde hätte ein Dokument zum "uneingeschränkten Schießbefehl" für Spezialeinheiten der Grenztruppen gefunden. Nun war dies Papier aber schon seit 1993 bekannt und auch schon 1997 im Dokumentenband zur DDR-Geschichte auszugsweise veröffentlicht worden.
Auch dafür muss niemand Klatschen.
Und dann hat sich Frau Birthler ja auch noch jüngst in die Kommunismus-Debatte eingebracht. Ihr gutes Recht - aber für mich kein klatschenden Handschlag wert.
Übrigens: Manchmal Klatschen Menschen beim Abgang eines anderen Menschen auch, weil sie froh sind ihn los zu sein.
In Anbetracht der bekannten Kritik an Frau Birthler, wäre es wohl ein Skandal gewesen, wenn auch DIE LINKE geklatscht hätte ;-)
Dennoch: Liebe Frau Birthler, ich wünsche ihnen alles gute, zwar so ganz ohne Applaus, dafür aber von Herzen.